Die Glocken von St. Martin in Briedel

Hermann Thur 2/2015

 

Seit jeher rufen Glocken die Menschen zum Gebet, aber auch als Alarmierungsmittel bei Katastrophen werden sie eingesetzt. Aus dem Spruch "Wem die Glocke schlägt" erkennen wir, dass die Glocken in früher Zeit auch ein Ersatz für die noch nicht verbreiteten persönlichen Uhren waren und sie mit ihrem Schlagen den Tagesablauf strukturierten. Morgens zum Tagesanfang, zu Mittag und abends zum Angelus gaben die Glocken die Zeit bekannt. Interessant ist auch die uns aus alten Leseordnungen überlieferte Sitte, dass die Winzer nur zwischen dem morgendlichen "Anläuten" und dem abendlichen "Betglockläuten" Trauben lesen durften. Bei Regen während der Traubenlese läutete die Glocke und die Ernte musste sofort eingestellt werden, so achteten die kirchlichen und klösterlichen Zehntherren schon damals auf eine unverfälschte Qualität des eingebrachten Erntegutes. Mit der "Totenglocke" werden noch heute die Einwohner informiert, dass ein Gemeindemitglied verstorben ist.

Im Turm der St. Martinskirche, dem Vorgängerbau des 1772ff. neu erbauten heutigen Gotteshauses, befanden sich ursprünglich 4 Glocken. Anschaffungsjahr und Größe sind uns nicht mehr überliefert. 1755 wurde der Glockenstuhl von der Zivilgemeinde erneuert. Die Chronik berichtet uns, dass bei der Überführung mit einem Schiff des im Januar 1756 in Koblenz verstorbenen Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Schönborn "die Gemeinde der Leiche einen Teil des Weges das Geleite gab". Dabei zersprang die größere Glocke und da die 3 kleineren nicht harmonisch waren, ließ die Gemeinde alle eingießen und vier neue Glocken von der Glockengießerei Wilh. Stocky in Saarburg gießen.
Sie trugen folgende Umschriften: (lt. Vogts)
1. Santa Maria; Virgo genitrix briedelensibus sis pia avxiliatrx (1756)
(unterer Durchmesser 1 m, Gießerstempel mit WS; Relief der hl. Maria)
2. Hostiles Martine Tvvs sacerarceat ensis incvrsvs fexit noxia cvncta procvl (1756)
(Unterer Durchmesser 95 cm, Stempel wie vor, Bild einer Bischofsfigur)
3. Sanctvs Donate, Bernarde, Nicolae, Sebastiane et Anna Patroni et Defensores nostri orate pro nobis (1756)
(Mit Kruzifix und Bild der hl. Katharina)
4. Corde ore deo nostro laudes psallite (1756).

Die größte Glocke (Nr. 4) zeigte jedoch bald einen Schaden und wurde daher 1769 umgegossen. Sie erhielt dabei die Inschrift: "Sancte Donate, martyr, ura pro nobis, ut liberemur a fulgure, fulmine et tempestate" (Hl. Martyrer Donatus, bitte für uns, daß wir bewahrt bleiben vor Blitz und Ungewitter und Unwetter).
(Unterer Durchmesser 80 cm, Gießerstempel mit der Inschrift W.Stocke. G.
Rocaillefries und Reliefs der Kreuzigung, der Madonna und des hl. Donatus).

Beim Bau des heutigen Gotteshauses. erbaute die Pfarrgemeinde mit Finanzierung der Zehntherren, dem Kloster Himmerod und dem Weihbischof von Trier, das neue Kirchenschiff. Der Glockenturm wurde von der Zivilgemeinde finanziert. Als Begründung für diese Aufteilung wird angegeben, dass der Turm ja die Glocken aufnehme, die bei Katastrophen wie Brand etc. die gesamte Bevölkerung warnen würden. Mit dieser Begründung bezahlte die Zivilgemeinde bis zur Installation einer elektrischen Läuteanlage auch die Erneuerung zweier Glockenseile. Die vier Glocken wurden dabei in die neue Kirche überführt.
Die kleine Glocke (Nr. 1) war auch bald gebrochen. Sie wird in den Invantaren ab 1880 nicht mehr aufgeführt. 1916 wird sie bei der Kupferbeschlagnahme konfisziert und abgeliefert. Aus der 14 Zentner schweren Glocke (4. die umgegossene von 1769) war ein Stück Metall am Rande ausgebrochen. Durch Änderung des Klöppels konnte diese jedoch noch benutzt werden. 1917 musste sie aber den traurigen Weg zur Waffenproduktion gehen. „Mit vielen anderen Glocken zogen unsere Glocken hinaus, um bei der Heeresverwaltung Verwendung zu finden", notiert die Pfarrchronik. Desweiteren wurden dabei die metallenen Orgelpfeifen des Registers "Prinzipal" mit abgeliefert, dafür erhielt die Kirche 500 Mark Entschädigung.

Erst 1928 hatte die Pfarrei genügend Mittel, um bei der Glockengießerei Mabilon zu Saarburg drei neue Glocken in Auftrag zu geben. Die beiden noch vorhandenen Glocken wurden dabei eingeschmolzen, Denn das Glockenmetall war rar und teuer. Die Chronik sagt uns: "Am Gründonnerstag kamen die Glocken auf dem Bahnhof Bullay an. Auf zwei schön geschmückten Wagen wurden die Glocken nach Briedel gefahren und vor der Kirche auf einem Gerüst aufgehängt. Die größte ist dem Hl. Martinus, dem Schutzpatron unserer Kirche geweiht. Die zweite Glocke ist ein Denkmal für die im Weltkrieg Gefallenen unserer Pfarrei. Die dritte Glocke ist der Mutter Gottes geweiht. Die Töne der Glocken sind e, g und a, die Anfangstöne der Präfation. Am Ostermontag fand die Weihe statt".

Aber es war den neuen Glocken nicht vergönnt, lange Zeit in Briedel die Gläubigen zu rufen. Die Kriegsmachinerie brauchte Nachschub und die Glockenbronze war nun einmal das ideale Material für Kanonen und Munition. Eine Entfremdung der Bevölkerung von der Kirche passte als Nebeneffekt in die Strategie der politischen Machthaber. Am 9.5.1940 meldete der Pastor dem Bistum den Bestand von drei Glocken, 1. 1023 kg, 1,21 m Durchmesser, Ton f, 2. 594 kg, 1,02 m Durchmesser, Ton as, 3. 412 kg, 0.9 m Durchmesser, Ton b, alle gegossen 1928 bei Mabilon. Bereits am 20.8.1942 wurden die beiden schwersten Glocken vom Turm heruntergeholt, "die für die Kriegsindustrie abgeliefert werden müssen". Darüber hinaus mussten im August 1943 Weihrauchfässer, Weihwasserkessel und viele Leuchter m Gesamtgewicht von 46,25 kg abgeliefert werden. Weitere gemeldete Metalle aus der Orgel wurden glücklicherweise nicht mehr eingezogen.

Ende 1943 wurde eine neue schwere Glocke, Ton "g" für unsere Kirche angeschafft, „da man die verbliebene Kleine nicht hörte". Hierbei handelte es sich um eine Stahlglocke. Der Kauf wurde durch die Glockengießerei August Mack in Brockscheid vermittelt und ein Briedeler holte sie mit dem Bulldog dort ab. Der Pfarrer notiert: "Still wurde sie von mir am Donnerstag (23.12.43) in der Frühe gesegnet. Als Paten wählte ich alle Soldaten unserer Gemeinde. Möge deshalb diese Kriegsglocke den Gefallenen zur ewigen Ruhe läuten, den lebenden aber zur baldigen, dauerhaften und siegreichen Heimkehr in die Heimat, uns alle möge sie anrufen zu immer eifrigem und freudigem Einsatz für die Ehre Gottes". Diese Glocke wurde später beim Kauf der neuen in Zahlung gegeben.

Ein Fest- und Freudentag für unsere Gemeinde war der 27.9.1953, als drei neue Glocken, gegossen vom Bochumer Verein für Gusstahlproduktion, eingeweiht wurden und am Herz-Jesu-Freitag, dem 2. Oktober erstmals zum Gottesdienst riefen.
Die größte, 1280 kg, Ton "d" wurde dem Hl. Martin, dem Kirchenpatron gewidmet.
Inschrift: "St. Martine, Ecue Noms Voces sequentiell et exemplum".
Die zweite, 750 kg, Ton "f" dem hlst. Herzen Jesu
Inschrift: "Cor Jesu, rex et centrum omnium cordium".
Die dritte , 520 kg, Ton "g" dem hl. Erzengel Michael.
Inschrift: Gratis et lautes iss, ui poussierend Pro amicis animas".
Als Paten fungierten verdiente Mitglieder der Pfarrgemeinde.

3 Festmeter Eichenholz stellte die Zivilgemeinde für einen neuen Glockenstuhl bereit. Die Arbeiten wurden von Pfarrmitgliedern ehrenamtlich vorgenommen.

Diese drei neuen Glocken bilden zusammen mit der Angelusglocke von 1928 unser heutiges Geläut.

Um den Küster von dem hohen Läuteaufwand zu entlasten - auch das Läuten an den langen Glockenseilen vor den Gottesdiensten durch die Messdiener verlief nicht immer gesittet - wurde 1947 ein elektrisches Läutewerk eingebaut. Dieses wurde durch Schmelzwassser beschädigt, wodurch sich am 14.1.1968 mitten in der Nacht alle Glocken einschalteten und ganz Briedel aus den Betten riss.

Die Glocken wurden seit alters her nicht nur für kirchliche, sondern auch für zivilgemeindliche Zwecke (Katastrophen- Brandmeldung etc.) eingesetzt. Der Pfarrer wollte die ausgeuferte zivile Nutzung, „- wenn der Ferkelhändler ins Dorf kommt, - wenn der Steuererheber kommt, - wenn eine Versteigerung ansteht,...." nicht mehr dulden. Erst nach langem Streit, einigte man sich wieder.

Die gegenüber dem Handläuten gleichmäßigeren Schwingungen der Glocken behagten dem alten Glockenstuhl nicht, sodass 1977 ein aufwändiges Tragegestell für die frei schwingenden Glocken eingebaut wurde.

Eine zivile Nutzung der Glocken wurde 1961 dann amtlich untersagt. Heute ist das Glockenschlagen der Uhr sowie das allgemeine Geläut stark eingeschränkt, um z.B. Schichtarbeitern eine ruhige Phase zu gönnen.

 

Quellen:
Gemeindeprotokollbücher Briedel
BAT 71, 139, Nr. 57, Nr. 58, Nr. 103 u.a.
BAT B III, 10,11, Band 3, 13, u.a.
Kirchenchronik Briedel
Ortschronik Briedel
Schulchronik Briedel
u.a.