Der Ochsenkopf

Von Wolfgang Diederich

 

Zur Jahrhundertwende beschäftigte in Briedel ein „Hofmann“ im Auftrag der Firma „Korn und Rumpel“ aus Traben – Trarbach, die  während  der Säkularisation durch die Franzosen die meisten grundherrschaftlichen Parzellen hier erworben hatte, für den Eigenbau ihres Weinguts bis 1912 Tagelöhner und Weinbergsarbeiter.

Eines Tages trug der letzte Hofmann, Josef Gibbert, einem Arbeiter auf, zu mehreren Stellen nach Traben – Trarbach zu gehen, um dort verschiedene Angelegenheiten zu besprechen. Der Mann schritt munter auf Schusters Rappen zu dem bestimmten Ort, in dem er unter anderem eine Metzgerei aufsuchen musste.

Der Metzger hatte einen Ochsen  geschlachtet und den Kopf des großen Tieres soeben abgekocht. Gastfreundlich bot er dem kleinen Mann etwas davon an, um sich zu regenerieren und für den Heimweg zu stärken. Der arme Schlucker willigte sofort mit der Bemerkung ein: „E besje knuspere kinni ejch schunn.“ Während sich der Hausherr anderen Dingen zuwandte, ließ er den Boten ein Stück Fleisch abschneiden und aufessen.

Der Mann wurde jedoch durch den besonderen Genuss, der ihm selten vergönnt war, derart angeregt, dass er flink wie ein Wiesel Scheibe um Scheibe abtrennte und ebenso hurtig verspeiste. Als der Metzger nach einer Weile diese Unverschämtheit bemerkte, wollte er ihm im ersten Impuls den Ochsenkopf fortnehmen. Augenblicklich besann er sich aber darauf, ihn zu lassen und gespannt zu beobachten. „Lass ihn mal“; dachte er nämlich bei sich, „das kann doch nicht möglich sein!“ Aber es war möglich, und er starrte anschließend nur noch mit großem Staunen den blanken Schädel auf dem Hackbrett an.

Nach einiger Zeit teilte er bei Gelegenheit dem Hofmann das sonderbare Erlebnis mit: „Da hast du mir aber einen geschickt; der wollte nur ein bisschen knuspern und hat einen ganzen Ochsenkopf gefressen.“ Seitdem hänselte der Hofmann seinen Arbeiter: „Na, giengs de noch mol noh Trarbach e besje knuspere?“ Und promt giftete dieser zurück: „Rejchhpanzdejwel, Rejchpanzdewel, kannst armen Mann nejst gunne!“