Die Kirchturmuhr

 

Ende des 19. Jh. wurde auf Drängen der Bevölkerung eine große Uhr im Kirchturm installiert. Damit hatten es die Briedeler Einwohner leichter, sich über die jeweilige Zeit zu informieren, denn Armbanduhren oder Smartphones gabs noch nicht. Bis dahin waren die verschiedenen Zeitpunkte des Glockenläutens die einzige Orientierung.

Die Uhr mit einem großen mechanischen Uhrwerk musste wöchentlich aufgezogen werden. Dafür war meistens der Gemeindediener zuständig.

Offensichtlich ging das nicht immer problemlos, denn in den Unterlagen finden sich desöfteren Vermerke über Streitigkeiten bezüglich des Aufziehens oder der Reparatur. 1929, die Pfarrgemeinde hatte gerade drei neue Glocken angeschafft, wollte der Pastor einen neuen Nutzungsvertrag mit der Zivilgemeinde abschließen, in dem Verschiedenes geregelt werden sollte. Die Eigentumsrechte an der Uhr waren unklar, da entsprechende Belege weder bei der Pfarr- noch bei der Zivilgemeinde auffindbar waren. Der Bürgermeister und der Gemeinderat weigerten sich, den vorgelegten Entwurf zu unterzeichnen und verlangten Ergänzungen. Diese wollte der Pastor hingegen nicht akzeptieren. So ging er einfach hin und schaltete die Uhr ab. Der Bürgermeister beschwerte sich daraufhin beim Bischof, der wiederum den Pastor um eine Stellungnahme bat.

Dieser schrieb am 10.9.1929 nach Trier:
...Die Uhr im Turm kann jederzeit in Gang gesetzt werden, wenn der Gemeinderat den Vertrag mit der Kirchengemeinde unterschreibt, wonach er haftet für allen Schaden, den ihr Beauftragter an Kircheneigentum anrichtet und den er perönlich auf Kircheneigentum erleidet. Bisher hat sich aber der Gemeinderat dazu geweigert.
Bezüglich der Glocken Folgendes:
Bis zur Beschaffung von neuen Glocken wurden die Glocken von der Gemeinde zu allen möglichen Gemeinde- und Privatzwecken geläutet. Z.B. Wurde die Ankunft des Ferkelhändlers in der ersten Zeit meines Hierseins mit der Glocke bekannt gegeben. Als Entgelt lieferte die Gemeinde die Glockenseile. Nach Beschaffung von neuen Glocken gestattete der Kirchenvorstand die Benutzung einer Glocke für notwendige reine Gemeindezwecke. Der damalige Gemeindevorsteher ließ aber trotz mehrmaligen Verbotes nicht mit der freigegebenen Glocke sondern mit der Feiertagsglocke für die Gemeinde läuten. Das geschah von Ostern bis Pfingsten. Von da an erklärte der Gemeindevorsteher, wenn nicht mit der größten Glocke geläutet werden dürfe, würde die Gemeinde nicht mehr läuten. Und bisher ging es auch ohne Gemeindeläuten sehr gut, und von verschiedenen vernünftigen Männern wurde mir ausdrücklich erklärt, ich möge dafür sorgen das Gemeindeläuten nicht wieder aufkäme. Tatsächlich wird auch von den benachbarten Gemeinden nicht mehr geläutet, die Gemeindeschelle genügt für gewöhnlich. Der Gemeinderat weigerte sich, mit der Kirchengemeinde bzgl. des Läutens einen Vertrag zu unterschreiben, sondern erklärte, er habe ein Recht auf die Glocken. Für die neuen Glocken hat die Gemeinde nichts getan, auch die versprochenen 5000 Mark, die sie leihen wollte, hat sie bisher noch nicht geliefert. Die Glocken sind bereits bezahlt. Glockenseile hat die Gemeinde nicht beschafft oder statt dessen jährlich 5 Mark Anerkennungsgebühr zu zahlen hat sie sich geweigert. Der jetzige Gemeindevorsteher Goeres, der stets auf meiner Seite stand, glaubt die Sache wieder in Ordnung bringen zu können, jedoch wird es das Beste sein, wenn die Glocken nur kichlichen Zwecken dienen. Die Uhr kann nach Unterschrift des Vertrages sofort in Gang gesetzt werden. Die Gemeinde Briedel war nie für das Wohl der Kirchengemeinde besorgt....

Erst nach langen Verhandlungen und der Vermittlung der bischöflichen Behörde kam es zu einer Einigung und die Uhr zeigte wieder die korrekte Zeit an.

1947 wurde von der Pfarrgemeinde eine neue Uhr bestellt. In diesem Zusammenhang wurde in dieser materialarmen Nachkriegszeit ein Motor zum automatischen Aufziehen der Uhr gegen Wein gehamstert. Mit der neuen Uhr wurde auch eine elektrische Läuteanlage installiert und prompt kam es wieder zu Diskussionen mit der Zivilgemeinde, da das Läutewerk ja auf eine Kirchenglocke zugriff. Die Briefe klingen genau so wie 18 Jahre zuvor. In einer Antwort auf eine bei der bischöflichen Behörde erhobene Beschwerde schrieb der Pastor u.a.:
... Der Bürgermeister ist zwar Katholik, aber er steht der Kirche skeptisch gegenüber.....

Der Uhrenhersteller will 500 Flaschen Wein als Teilzahlung haben. Da die Militärregierung die Liefergenehmigung für den Wein verweigert, wird dieser bei der Anlieferung der Uhr „schwarz" mit dem Anlieferfahrzeug nach Ulm transportiert. Das Risiko der Beschlagnahme des Weines auf dem Transport geht voll zu Lasten der Lieferfirma. Auch der Spediteur lässt sich die halbe Rechnung in Wein zahlen.

1960 wird die Uhr in wesentlichen Teilen umgebaut, wodurch auch die Bedienung und Pflege vereinfacht wird.

2002 wird dann ein elektronisches Uhrwerk eingebaut. Die alte mechanische Uhr wurde am Platz belassen, da ein Abtransport aus dem engen und hohen Turm zu aufwändig erschien. So hat sich für uns ein interessantes Erinnerungsstück erhalten.

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