Ein mutiger Mann

Von Wolfgang Diederich

 

Als die französischen Revolutionstruppen im Jahre 1794 in das Kurfürstentum Trier einfielen, das gesamte linksrheinische Deutschland okkupieren und die alte Ordnung zusammenbrach, glaubten gesetzlose Elemente, die Zeit des Umbruchs für sich ausnutzen zu können. Die Auseinandersetzung der  reaktionären Mächte mit dem revolutionären Frankreich, die Steuern und Requirationen für die ständigen Kriege und in ihrer Folge Hunger und Not kennzeichneten außerdem die Wende zum 19. Jahrhundert. In diesen Jahren der Armut und Wirren trieben  viele Verbrecher und geflüchtete Räuberbanden rücksichtslos und dreist ihr Unwesen. Auch am „Reiler Hals“ und auf dem Pfad, der unterhalb der Marienburg nach Alf führt, wurden immer wieder Wanderer von einem maskierten Strolch überfallen und ausgeraubt.

Ein Mann aus Briedel, der sich an einem jener gefahrvollen Tage in Alf aufhielt, verspätete sich dessen ungeachtet, als er dort seine Arbeit beendet. Getrost lehnte er den gut gemeinten Rat ab, vorsorglich in Alf zu übernachten, riss kurz entschlossen eine hölzerne Verstrebung, einen sogenannten „Sturen“, aus einem Wagen heraus und trat mit dieser Waffe auf  der Schulter den Heimweg an. Unbekümmert wählte er die kürzeste Strecke, also den berüchtigten Pfad durch den Wald am Abhang der Marienburg.

Die Abenddämmerung war bereits hereingebrochen und hüllte die Umgebung in eine  beklemmende Finsternis und Stille, die jedem sanften Gemüt Gruseln und Schauer über den Rücken getrieben hätten. Der späte Heimkehrer stieg jedoch furchtlos die Anhöhe hinauf.

Und richtig, als hätte man zuvor den Teufel beschworen, sprang ihm der Räuber mit einem langen Messer in den Weg. „Geld oder Leben!“, rief er und glaubte mit dieser furchterregenden Drohung seinem Opfer besonders eindrucksvoll zu imponieren. Der Briedeler, der sich von dem Schurken überhaupt nicht aus er Ruhe bringen ließ, entgegnete unverhofft: „os dir dat ernst?“, fragte es gelassen und schlug ihm im selben Augenblick, als sich der Unhold vor ihm aufbäumte, den „Sturen“ auf den Kopf.

Da er noch rechtzeitig über die Mosel setzen wollte, ließ er ihn schwer verwundet liegen und eilte weiter. Seitdem fanden in dieser Gegend keine Überfälle mehr statt.

 

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