Jagdgeschichten

Wolfgang Diederich

 

Der Winzer und Jäger Karl Fischer, auch „Schnitzel“ genannt, war einer der raffiniertesten und listigsten Bürger von Briedel. Schon als Junge bewies er seine Pfiffigkeit, drückte sich geschickt während der Arbeit beim bau der Moseltalbahn, täuschte als Soldat im Ersten Weltkrieg eine rheumatische Erkrankung vor, weshalb ihn sein Vorgesetzter in der Etappe zurücksetzte, und übertölpelte später noch andere Leute. Obwohl ihm seine Jagdgenossen nicht recht trauten, hatte er sich aber bei ihnen als guter Schütze, Koch und Unterhalter unentbehrlich gemacht; dennoch spielte er hinterhältige Streiche.

 

Erster Streich

Eines Tages ging er mit einem Gefährten zur Jagd, während ein Bursche, der gut zu Fuß war, als Treiber diente. Dem Jungen gelang es jedoch nicht, den beiden Schützen Wild vor die Flinte zu treiben. Stundenlang liefen sie durch’s Revier, bis der „Schnitzels Karl“ einen verendeten Hasen fand, der schon steif war.
Er stellte ihn am Rande eines Kartoffelfeldes so zwischen die Stauden, dass er stehen blieb. Dann richtete er es ein, dass sein Kollege glaubte als erster den Hasen  gesehen zu haben. Großzügig bot er dem Waidmann, der sein Gewehr schon anlegen wollte, seine Hilfe an. Also erschoss der „Schnitzels Karl“ den Kadaver selbst.
Nun nahm er den Rücksack seines Begleiters, der das Essen mitgenommen hatte, fiel so, als hätte er Schwerstarbeit verrichtet, über die Lebensmittel her, aß die Hälfte davon alleine auf und stopfte die Jagdbeute in den ausgeleerten Behälter. Er wies den Treiber an, das Gepäck zum Haus des geprellten Jägers zu tragen und dort zu lauschen.
Als der arglose Mann hocherfreut mit dem erlegten Wild zu seiner Frau hineinstürmte: „Ejch honn en Hoas, ejch honn en Hoas“ unterbrach sie jäh seinen Jubel und schimpfte lauthals über seine Dummheit. Der Jagdgehilfe unterrichtete sogleich Karl Fischer. Während sie miteinander tuschelten, eilte schon der gescholtene Ehemann wie ein wütender Eber herbei, um zu guter letzt noch von dem Schlitzohr mit einer Drohung abgewiesen zu werden.

 

Zweiter Streich

Ein andermal  lagen die beiden in der tiefverschneiten Jagdhütte. Nach einer Weile kratzte der „Schnitzel Karl“ an der Wand.
„Karl, hoss de dat gehiert?“, rief sein Kollege von der oberen Pritsche herab. Der Schelm unter ihm tat aber so, als hätte er schon geschlafen; dann kratzte er noch mal an der Hüttenwand.
„Karl, hoss de’t jetzt ghiert?“
„Tatsächlich!“
„Wat woar dann dat?“
„Dat kann nur en Fuchs gewäs sej“
„Wat well dann dä?“
„Dä socht bestimmt die Wärmt:“
“Wie kinnt ma dänn dann kreh?“
“Hiegsdens vom Daach eus.“
Sofort sprang der Weidmann von seiner Pritsche und legte sich auf dem Dach beharrlich auf die Lauer. Zwei Stunden später stieg er wieder herab, tappte vor Kältze starrend in die Hütte zurück und meinte: „Su en Pech, dä Fuchs koam net mih:“

 

Dritter Streich

Bei einer weiteren Gelegenheit vor einem Feiertag waren beide, begierig nach frischem Fleisch, wieder einmal auf der Jagd.
Es war wie verhext, nichts regte sich, doch plötzlich als sie schon den Heimweg beschlossen hatten, sprang ein Hase aus dem Gebüsch. Beide schossen, der Hase fiel um und jeder war der Meinung, das er ihm gehörte.
„Mir zänge uus net drimm“; sagte der „Schnitzels Karl“ verträglich, „mir loase dat Luus entscheide.“
Dann machte er zwei Hölzer zurecht und hielt sie seinem Jagdgenossen halb in der Faust versteckt vor, um eines von beiden herauszuziehen. Der arglistige Karl führte aber auch in diesem fall etwas im Schilde, indem er die Spielregeln erklärte. „Kurz valehrt un lang vaspillt, zeech!“, und der andere zog.

 

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