Was die Briedeler Großmutter erzählte

Von Maria Laux

 

Die Geschichte trug sich zu, als die Räuberbanden des Schinderhannes noch Wälder und Wege unsicher machten. Die Großmutter hatte es von ihrer Großmutter. Man schrieb das Jahr um 1800. Der Großvater, der von Briedel stammte, hatte nach Reil Wein verkauft.
Da die Rechnung noch offen stand, er das Geld aber dringend benötigte, wollte er nach Reil, um vom Käufer einen Abschlag zu bitten.
Weil er nun mit dem Nachen auf die andere Moselseite übersetzen musste, machte er sich frühzeitig auf den Weg.
Beim Käufer angekommen wurde ein Schwätzchen nach dem andern gehalten. Man tat sich am Weine gütlich, und es dämmerte schon als sich der Großvater wieder auf den Heimweg machte.
Er freute sich sehr, denn das Geld konnte er gut gebrauchen, wartete doch zu Hause seine Frau und ein Haufen kleiner Kinder auf ihn.
Er trug es in einem Beutel in der „Kurres“ – Tasche, die Hand fest darum geklammert. Den Kragen hatte er hochgestellt, denn der Abend war schon kalt und der Wind blies die letzten bunten Blätter von den Bäumen. Er ging schnellen Schrittes.
Unter seinen ausgetretenen Schuhen, die seitlich mit einem Riester versehen waren, raschelte das dürre Laub.
Am Reiler Hals, der wegen Untaten berüchtigt war, musste er wieder übersetzen.
An der Anlegestelle angekommen, legte er beide Hände trichterförmig um den Mund und rief so laut er konnte: „Holle riwwa!“ Und noch einmal. „Holle riwwa!“. Dann horchte er.
Doch statt des Fährmanns hörte er plötzlich in einiger Entfernung Stimmen, die immer näher kamen. Er fürchtete sich sehr und schaute sich nach einem Versteck um. Da er am Moselufer einige Traubenbütten stehen sah, welche die Winzer geschrubbt und zum Trocknen, in der noch warmen Herbstsonne aufgestellt hatten. In seiner Angst stülpte er sich eine über und wartete klopfenden Herzens, das sich die Stimmen wieder entfernen würden. Doch dann hörte er, wie sich mehrere Männer um die umgestülpte Bütte versammelten. Eine Menge Münzen wurden auf ihr ausgeschüttet und man fing eifrig an zu zählen. Als alles gezählt und aufgeteilt war, hörte der Großvater wie einer der Männer sagte: „Sollen wir die Bütten nicht in die Mosel rollen?“.
Darauf antwortete ein anderer: „ Ach was, vielleicht gehören sie einem armen Teufel!“. Dann entfernten sich die Schritte, die Stimmen wurden immer leiser bis sie in der Dunkelheit verhalten. Mit schlotternden Knien, die Hand noch um das Geldsäckchen geklammert, kroch der Großvater wieder unter der Bütte hervor. Langsam ging er zum Steg, wo der Fährmann gerade angelegt hatte.
Das Herz klopfte ihm noch bis zum Hals heraus, als er endlich wieder unversehrt und wohlbehalten bei seiner Familie am Tische saß.

 

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