Die katholische Kindertagesstätte

St. Martin Briedel feierte ihr 50-jähriges Bestehen.

Hermann Thur

 

Der Briedeler Kindergarten ist jedoch schon viel älter. Dieses nun gefeierte Jubiläum fußt auf dem Einzug in den im Pfarrgarten von Zivil- und Kirchengemeinde gemeinsam erbauten neuen Kindergartengebäude.

Vor rund hundert Jahren: 1915, mitten in den Wirren des 1. Weltkrieges, lesen wir in den Protokollbüchern:
„Die Gemeinde richtet eine Kinderverwahrschule ein, damit die Frauen Zeit haben, um in den Wingert zu gehen und die Kinder in der Zeit gut aufgehoben sind."
Die jungen Väter waren ja alle als Soldat im Kriege und die ganze Arbeit in den Weinbergen und den Äckern musste von den Frauen alleine bewältigt werden. Da auch die Omas und älteren Geschwister mithelfen musssten, standen diese als Babysitter nicht zur Verfügung. Die Einrichtung einer „Kinderverwahranstalt" stellte daher eine wesentlich Unterstützung dar.

Wie der Name schon ausdrückt, die Kinder wurden verwahrt. Von einer gezielten pädagogischen Betreuung konnte noch keine Rede sein.

Der Kindergarten wurde in einem Klassenraum der Schule eingerichtet und erhielt erst 1929 ein eigenes abgeschlossenes Klosett.

Die Pfarrgemeinde war von Beginn mit der Führung beauftragt. Viele Protokollvermerke weisen uns heute auf Anschaffungen und Reparaturen hin. Die Sachkosten, z. B. Brand und Licht, wurden vorzugsweise von der Zivilgemeinde getragen, während die Personalkosten nach öfters wechselnden Schlüsseln zwischen Pfarr- und Zivilgemeinde aufgeteilt wurden.

Obwohl sich die Arbeitskräftesituation, d.h. die Gründungsursache, nach der Rückkehr der überlebenden Soldaten langsam normalisierte, blieb die Kinderverwahrschule weiter bestehen.

Ende 1944, der 2. Weltkrieg brachte seine Schrecken auch in unsere Heimat, wurde der Betrieb aus Sicherheitsgründen eingestellt. Am 23. April 1945, noch unter der amerikanischen Besatzung und vor Ende des Krieges, wurde der Kindergarten „unter kirchlicher Regie" mit 90 Kindern wieder aufgenommen.

Im Januar 1946 und nochmals im Januar 1947 wurde die Kinderbetreuung „wegen notwendiger Reparaturen und um Brennholz zu sparen" vorübergehend ausgesetzt.

Fast 150 Kinder waren zu Spitzenzeiten in einem einzigen Raum untergebracht, wo sie von einer Kindergärtnerin und einer jungen Helferin beaufsichtigt wurden.

Damit die Kleinen bei schönem Wetter draußen spielen konnten, wurde am Moselufer eine Wiese angelegt und eingezäunt. Das Mitbenutzen des Schulhofes hätte die Schulkinder sicher zu sehr gestört.

Die Betreuungssitten waren sicherlich noch etwas autoritärer als heute. Als Beispiel sollen einige Regelungen dienen:
Ein Kind, das zu laut oder vorlaut war, bekam nach einer ersten Ermahnung einen Maulkorb angezogen. Wer nicht aufrecht saß und seinen Kopf abstützte, konnte mit einem Holzklotz unterm Kinn in die Ecke gesetzt werden. Der eine oder andere Klaps auf den Po war auch manchmal notwendig, damit die wenigen Kindergärtnerinnen die vielen Kinder in dem engen Raum überhaupt einigermaßen unter Kontrolle halten konnten.

Während der Hauptarbeitszeiten, insbesondere bei der Traubenlese, konnten die Kinder auch ihr Mittagessen aus dem mitgebrachten „Bleachelche" (Henkelmännchen) im Kindergarten einnehmen und die Mittagspause fiel sozusagen aus.

Nach mehreren Jahren Planung und Disput über die Kostenverteilung wurde dann im Pfarrgarten ein Kindergarten errichtet. Am 22. Juli 1962 konnten dann 109 Kinder in die schönen und modernen Räume einziehen. Konzipiert waren die Räumlichkeiten für nur 80 Kinder, sodass von Anbeginn an schon eine Überbelegung vorhanden war. Rund 120.000 DM wandte die Zivilgemeinde für das Bauprojekt auf, das seither in Trägerschaft der Pfarrgemeinde betrieben wird.

Tante Luise (Gottung) leitete den Kindergarten von 1949 bis 1987 und hat damit zwei Generationen in Briedel auf das Leben vorbereitet. Zum Dank und Anerkennung ihrer herausragenden Leistungen wurde sie zur Briedeler Ehrenbürgerin ernannt.

Mit dem Erlass des rheinland-pfälzischen Kindergartengesetzes von 1970 wurden die vielen Regelungen und Vereinbarungen zwischen Pfarr- und Zivilgemeinde Briedel in einen sicheren Rechtsrahmen eingebettet.

Im Jahre 2008 erfolgte ein weiterer Entwicklungsschritt mit der Umwandlung in eine Kindertagesstätte. 40 Plätze, davon 14 Ganztagsplätze und 7 Plätze für zweijährige Kinder stellen das heutige Angebot dar. Die demografische Entwicklung ließ zwar die Anzahl der Kinder stark schrumpfen, der Bedarf an modernen Krippenplätzen und Ansprüche an die Betreuung und Entwicklungschancen unserer jüngsten Mitbürger erfordert aber weitere Räumlichkeiten und stellt hohe Anforderungen an das qualifizierte Personal.

Erstveröffentlichung im Pfarrblatt der kath. Parreiengemeinschaft Zeller Hamm 12/2012

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